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Fotografie
und Digitalisierung
Ein Fotokalender lindert Termindruck
Im Zuge der unaufhaltsamen Digitalisierung von Arbeits- und
Privatleben bemerken nicht nur reifere Zeitgenossen, dass die EDV nicht immer
gleichwertigen Ersatz für jahrhundertelang bewährte Kulturtechniken bieten kann.
Über den ökologischen und ökonomischen Sinn oder Unsinn von elektronischen Bilderrahmen
mögen heiße Debatten geführt werden; zumindest kann man ihnen einen dem klassischen
Vorbild gleichwertigen Funktionsumfang bescheinigen.
Ganz anders sieht es in der Kategorie Kalender aus: während von elektronischen Lösungen
organisatorische Meisterleistungen erwartet werden, begnügt man sich bei der
handschriftlichen Variante mit einem kleinen Stück Papier. Im Umkehrschluss würde wohl
niemand von einem Kalenderprogramm erwarten, permanent persönliche Fotografien am
Bildschirmrand anzuzeigen, die außer einer Erinnerung an die wirklich wichtigen Dinge des
Lebens kaum produktiven Nutzen in der technokratischen Gesellschaft erbringen.
Wer sich an der Schwelle des 21. Jahrhunderts bewusst für die
"Offline"-Variante Fotokalender entscheidet, fällt damit auch ein kulturelles Urteil
gegen Organisationswahn und für ästhetisch aufbereiteten Kunstgenuss in leuchtenden
Farben. In den proportional meist verschwindend winzigen Quadraten, die auf einer
Fotokalenderseite einen Tag repräsentieren, finden außer Geburtstagen und Jubiläen kaum
längere Einträge Platz.
Und wenn man einmal ganz ehrlich sein will, so ist ein auf Hochglanz produzierter
Fotokalender mit den schönsten Impressionen von Freunden und Familie doch auch viel zu
schade, um durch hastig dahingekritzelte Geschäftsverabredungen, Arzttermine und andere
flüchtige Banalitäten des Alltags verunstaltet zu werden. Je jungfräulicher der
Fotokalender gehalten wird, um so leichter kann er auch in den Folgejahren weiter benutzt
werden.
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